Donnerstag, 22. März 2018

Je weniger Platz, desto mehr Bernhard


Ich hatte in den letzten Monaten unerwartet viel Kontakt mit meinem früher sehr beliebten Schriftsteller Thomas Bernhard. Meine Frau hat sich entschlossen, eine kleine Bernhard-Sammlung mir als Weihnachtsgeschenk zu geben und davon habe ich schon den Riesenroman "Auslöschung. Der Zerfall" gelesen. Ich habe auch die neue Bühnenfassung von dem Roman "Holzfällen. Eine Erregung" in Prag gesehen. Geile Titel, nicht wahr? Was mir aber am meisten Spaß machte, war "Der Theatermacher," verarbeitet von Teatr im. Stefana Jaracza w Lodzi.

Dieses Stück sah ich natürlich auch in Prag, es gab nur eine unbezahlbare Gelegenheit dazu im Spätherbst. Viel besser als nach Polen reisen zu müssen, hauptsächlich wenn die Polen die ganze eiserne Kiste nach Prag mitgebracht haben. Das Spiel fand also in einem großen Transportbehälter statt und es gab unter Zuschauern nur wenig Platz für die Schauspieler, deswegen war man der teufelischen Agnieszka Kwietniewska völlig ausgeliefert.

Ich mag Kontakt mit dem Darstellern und hier konnte man wirklich die furchtbar große Energie von Frau Kwietniewska spüren. Die unaufhörlichen Reden von Bernhards Figuren sind sowieso immer aufs Publikum gezielt, nichtsdestotrotz gibt es bei vielen anderen Bearbeitungen noch die "vierte Wand," also eine unsehbare Barriere zwischen der Bühne und dem Saal. Die emotionelle Tiefe des Stücks war deutlich bemerkbar und ich mochte die Inszenierung so sehr, dass sie wirklich ein meiner besten Theatererlebnissen 2017 war.

Sonntag, 11. Februar 2018

Helle Nächte konnten auch heller sein


Berlinale 2018 fängt schon in ein paar Tagen an und das Programm enthält viele ungeduldig erwartete Erstaufführungen, z.B. den neuen Animationsfilm "Isle of Dogs" von Wes Anderson. Jetzt ist eine gute Zeit nachzudenken, welche Filme von dem Berlinale Wettbewerb 2017 ich mittlerweile sah. Den komischen Retro-Film "Toivon tuolla puolen" schätze ich so hoch, dass ich ihn im Januar zu meinem Top 5 aufgehoben habe, während "Alone on the Beach at Night" sehr nett, aber auch ziemlich vergessbar war. Dann sah ich "Helle Nächte," die von dem Berliner Filmemacher Thomas Arslan gedreht wurden.

"Helle Nächte" ist also ein deutschsprachiger Film, aber man spricht da mal nicht so häufig. Es ist eine Geschichte über das Schweigen, zerstörte Beziehungen und verlorene Jahre. Ein Mann reist durch Norwegen mit seinem entfremdeten Sohn, der schon lange nur mit seiner Mutter lebt, und versucht ihm zu erstatten, was alles er während der letzten fünfzehn Jahre falsch machte. Oder zumindest versucht er ihn zum Reden zu bringen.

Schon am Anfang, also vor der Reise merkt man, dass der alte Mann generell unfähig ist, normale Beziehungen mit Menschen zu haben, und dieser Roadtrip stellt für ihn vielleicht eine Chance dar, eine neue Freundschaft mit dem eigenen Sohn zu entwickeln. Leider sieht man fast nie, was sich in den beiden stummen Köpfen abspielt, was die Handlung ein bisschen unklar macht. Man beobachtet, wie sich der Junge mit dem alten Kerl langweilt und plötzlich fühlt sich man ebenso. Letztendlich ist die wunderschöne norwegische Natur das Einzige, was diesen Film über den Durschschnitt hebt.

Montag, 29. Januar 2018

Top 5 Filme 2017


In meinem letzten Beitrag habe ich erwähnt, dass ich mich nicht mehr kompetent finde, neue Musik zu bewerten. Bei Filmen ist mein Selbstvertrauen höher, ich habe meiste wichtige Premieren 2017 gesehen, manche habe ich sehr genossen und es gibt eine ausführliche Liste von alles, dass ich sah.

In meinem Top 5 gibt es z. B. das neue Stück von dem österreichischen Meister Michael Haneke und auch die letzte Premiere von Aki Kaurismäki, der hier in Prag immer sehr beliebt war, zufälligerweise habe ich aber erst jetzt seinen wunderbar absurden Stil entdeckt. Am höchsten schätze ich Wind River, einen außerordentlichen amerikanischen Thriller, der kunstfertig unter Aktion, persönlichem Drama und sozialer Kritik schwankt.

1. Wind River (Reg. Taylor Sheridan)
2. Toivon Tuolla Puolen (Reg. Aki Kaurismäki)
3. Happy End (Reg. Michael Haneke)
4. Manchester By The Sea (Reg. Kenneth Lonergan)
5. La Región Salvaje (Reg. Amat Escalante)

Samstag, 30. Dezember 2017

Die beste Musik 2017: Fever Ray ist auf jeden Fall dabei


Ich liebe Musikcharts und ich habe eine Menge neuer guter Musik 2017 gehört: Protomartyr, Horrors, Opak Dissu, Gorillaz, Plusminusnula, Charlotte Gainsbourg, Ty Segall, Forest Swords, Slowdive ... Ich fühle mich aber nicht mehr kompetent, die besten Alben in einer Reihenfolge zusammenzustellen. Das habe ich zum letzten Mal vor drei Jahren gemacht.

Die schwedische Künstlerin Fever Ray wäre doch sicher in meinem Top 5. Ihre Platte "Plunge" klingt durchaus wie die Zukunft, ihre Stimme und ihr Stil sind unverkennbar und ihre visuelle Präsentation ich echt Hardcore, die kann man gar nicht übersehen. Deshalb habe ich für euch lieber ein Video mit feststehendem Bild gewählt - "To The Moon And Back".

Montag, 18. Dezember 2017

Bin ich fähig, 20 Bücher pro Jahr zu lesen?


Die Buch-Herausforderung (Čtenářská výzva) ist ein tschechischer Onlinedienst, bei dem man versucht, zwanzig Bücher während eines Jahres zu lesen. Das klingt nicht so schwierig, aber man muss dabei immer mit Hanteln turnen und Alice Cooper zuhören ...

Entschuldigung, das ist mal eine andere Herausforderung. Ich wollte nur sagen, dass es allgemein nicht schwierig ist, aber ich habe hier schon im letzten Jahr auf Tschechisch erklärt, wie wenig Zeit fürs Lesen ich habe, seitdem ich nicht mehr täglich zwei Stunden in dem öffentlichen Verkehr verbringe. Ach, die guten alten "Metro-Zeiten"! Damals habe ich auch sehr dicke Bücher gelesen - Dostojewski, Musil, Hašek, Balzac, Gontscharow ...

Jetzt ist die Zeit für diesjährige Buch-Herausforderung mehr als vorbei, denn ich habe eigentlich damit schon im November 2016 angefangen. Hier gibt es die Liste von 18 Bücher, die ich lies, und ich freue mich schon auf die Themen vom Buch-Herausforderung 2018.

Sonntag, 26. November 2017

Die Saison des deutschen Theaters in Prag ist wieder da


Auf welche tschechischen Künstler kann man auf der internationalen Skala stolz sein? Ich hätte einen Tipp. Der Regisseur Dušan David Pařízek hat gestern das in Hannover uraufgeführte Stück "Macht und Widerstand" als Gastspiel in Prag vorgestellt. Es handelt sich um eine sehr ernste Geschichte von der Staatssicherheit Bulgariens und von Leuten in ihrem Fadenkreuz. Welche Version der Wahrheit kann entdeckt werden und was für Hindernisse stehen auch heute in Weg, auch solche Themen sind hier präsent. Meiner Meinung nach war diese Bühnenfassung eines modernen Romans großartig und durchaus wirkungsvoll. Ich habe schon ungefähr zehn Stücke Pařízeks gesehen und ich halte ihn für einen echten Stern europäisches Theaters.

Mittwoch, 25. Oktober 2017

In Prag muss man sich gar nicht bemühen, wenn man Tiere sehen will


Am letzten Samstag habe ich während des Filmfests den neuen österreichischen Film "Tiere" gesehen. Es handelte sich um eine unterhaltsame europäische Antwort auf David Lynch, mit starken Elementen von schwarzem Humor. Solchen Film kann ich immer sehr genießen, aber ich will dieses Beispiel in eine andere Richtung leiten.

Ich konnte die "Tiere" rein theoretisch schon am 8. Juli in Karlsbad sehen. Es war kurz nach dem Mittag und ich wusste, dass ich keine Chance mehr habe, die Projektion ab 13:30 Uhr zu schaffen. Bei dem Karlsbader Filmfestival funktioniert das so, dass man entweder morgens die Schlange an der Kassa steht, oder dann direkt vor dem gewissen Kinosaal eine andere Schlange steht. Sowieso muss man um die Plätze kämpfen und der Erfolg ist nie sicher. Hier in Prag geht man nur einfach ins Kino und es gibt immer eine breite Auswahl von freien Plätzen.

Ist der Film also besser, wenn er in Karlsbad gezeigt wird? Sicher nicht, aber er ist dort nur ein Teil des gesamten Erlebnisses. Sowie das Schlangestehen. Plötzlich wird die ganze Stadt von filmsüchtigen Menschen besetzt und die langen Reihen gehören zu der Atmosphäre. In Prag kann man sich mühelos nur an das Kunstwerk konzentrieren, aber daneben bekommt man auch nichts Anderes.

Montag, 9. Oktober 2017

The Square oder eher die Quadratur des Kreises


Der schwedische Regisseur Ruben Östlund versucht in seinem neuesten Film "The Square" die heutige europäische Gesellschaft zu porträtieren, letztendlich scheint aber diese Aufgabe zu kompliziert zu sein. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, denn dieser Film die Palme d'Or gewonnen hat, im Allgemeinen war ich von ihm ein bisschen enttäuscht.

Das heißt nicht, dass der Film durchaus schlecht ist oder dass es darin keine Szenen gibt, die auf sich gestellt großartig sind. In der zweiten Hälfte des Films gibt es zum Beispiel die merkwürdige "Affe-Szene." Hier ist ein kurzer Ausschnitt, insgesamt dauert der Vorgang mindestens sechs Minuten. Man kann solche Szenen metaphorisch wahrnehmen und über sie nachdenken, es ist aber ein Problem, wenn ein Film zu viele isolierte Vorgänge enthält, zwischen dessen es keine klare Handlung gibt. Im Großen und Ganzen funktioniert der Film als eine Kritik der konzeptuellen Kunst, das ist aber meiner Meinung nach zu wenig.

Sonntag, 1. Oktober 2017

"Schönheit ist nicht alles, sie ist das Einzige" - das letzte halluzinatorische Spektakel von Nicolas Winding Refn


Endlich habe ich "Neon Demon" von dem dänischen Filmemacher Nicolas Winding Refn gesehen. An dem Drehbuch konnte Nicolas ein bisschen länger arbeiten und das Ende musste vielleicht nicht so plötzlich kommen, aber grundsätzlich war der Film ein angenehmes Erlebnis. Die Oberflächlichkeit seines Werkes soll man aber nicht Nicolas vorwerfen, denn sie ist sein Hauptthema hier. So gibt es in "Neon Demon" viele lange Szenen, die audiovisuell sehr schön gemacht wurden, aber dessen Bedeutung sehr unklar ist, darauf wurde ich aber vorbereitet. Der Film spricht über keine Kernforschung, sondern über die Welt der Mode. Im Allgemeinen war ich mit "Neon Demon" zufrieden und ich bin froh, dass ich ihn direkt im Kino gesehen habe.

Sonntag, 17. September 2017

Kein Wein getrunken während des Prager Weinlesefests


Gestern hat das berühmte Oktoberfest in München angefangen und in Prag gab es gleichzeitig eine sehr kleinere Veranstaltung - das Prager Weinlesefest (Pražské vinobraní). Ein Paulaner Stand mit dem offiziellen Oktoberfestbier gab es aber auch dabei, deshalb habe ich auf Wein total verzichtet und beschätigte mich nur mit dem Bier. Der Preis wurde glücklicherweise zu den tschechischen Umständen angepasst, man hat nur 4,70 Euro pro Liter bezahlt, was ziemlich angenehm war. Die Atmosphäre war auch sehr freundlich und wir schafften es fast, wegzugehen, bevor das musikalische Begleitprogramm völlig unerträglich wurde.